Cliqz – für mehr Privatsphäre?

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Wir erfinden das Internet neu!

Gestern erschien die Version 1.0.2 des neuen Browsers Cliqz.
Mit Ihrer mutigen Aussage “Wir erfinden das Internet neu” [1] sorgte das Projekt für einiges Aufsehen.
Doch was ist wirklich neu und was haben wir von der Aussage “Wir glauben an […] ein Internet, in dem persönliche Daten im Besitz der User bleiben” [2].
Ich wechsel den Browser und schon sind meine Daten sicher, so das Versprechen, ganz so einfach ist es am Ende aber trotzdem nicht.

Das Konzept


Cliqz hält mehrere Ideen bereit um unsere persönlichen Daten vor dem Zugriff von Google und Microsoft zu schützen.
Jedes mal wenn wir eine Website besuchen, wird eine Vielfalt an Daten übertragen. Einige sind wichtig. Das betrifft Informationen über meinen Browser und dessen Version (nicht jeder Browser interpretiert den Quelltext einer Website gleich) oder meine aktuell genutzte Bildschirmauflösung (die Anzeige soll ja schließlich für mich optimal ausgewählt werden). Die lokale Ortung, auf 10 Km genau, meines PCs ist dann vlt. schon nicht mehr sonderlich erwünscht.
Cookies ergänzen nun technische Information mit ergänzenden Informationen, welche Suchbegriffe habe ich bei Amazon und Google in den letzten acht Wochen gebraucht, wie viel Zeit auf welchen Websiten verbracht und welche Beiträge bei Facebook mit “Gefällt mir” markiert.
Cliqz verspricht nun, sich in die Kommunikation zwischen meinem Computer und der Internetseite einzumischen. Stellen wir uns einen solchen Dialog folgendermaßen vor:

Klassisch
>Website: Computer, welchen Browser benutzt du?
Computer: Firefox, Version 44.0.2 für Windows 7 Home Premium 64 Bit, Servicepack 1
mit Cliqz
>Website: Computer, welchen Browser benutzt du?
Cliqz: Firefox, musst du noch mehr wissen?
>Website: Ist die Version neuer als 37.0?
Cliqz: Ja.

Wir sehen schon, unser normaler Browser ist an dieser Stelle sehr mitteilungsbedürftig. Glauben Sie nicht? Dann besuchen Sie folgenden Link und staunen Sie was nur durch Ihren Besuch bereits erfasst wurde ohne das Sie zustimmen oder eine Aktion ausführen mussten.
Ein weiterer Ansatz von Cliqz ist nun die Verwendung einer integrierten Suchmaschine. Man gibt den gewünschten Suchbegriff in die Adresszeile ein und bekommt sofort empfohlene Ergebnisse angezeigt, ohne den Umweg über eine Suchmaschine nehmen zu müssen. Hierbei wird auf eine Cliqz interne Datenbank zurückgegriffen, welche speziell auf Seiten abgestimmt ist, die von anderen Cliqz Nutzern besucht wurden und damit als für den Besucher relevant eingestuft werden.
Richtig gelesen, Seiten die von anderen Benutzern besucht wurden. Es werden also doch Informationen gespeichert? Aber das geschieht alles anonym, wird uns versprochen. Ein ähnliches Konzept verfolgen bisher Suchmaschinen wie Ixquick oder Metager. Meinungsbildung fernab der allgemeinen Meinung oder Ergebnisse, die wenig populär und damit irrelevant sind, lassen sich so aber kaum finden.

Der Anbieter

Einen neuen Browser zu entwickeln und stetig aktuell zu halten, kostet Geld. Wird er dann noch kostenlos Angeboten muss er anderweitig finanziert werden oder hat einen starken Sponsor. Beim Internetexplorer ist es Microsoft, Chrome wird durch Google (genauer der Alphabet Inc.) finanziert. Bei Firefox garantiert die Mozilla Foundation die Liquidität welche sich wiederum aus Spendengeldern finanziert (2012 stammten 90% = 280.000.000$ der Spenden von Google). Cliqz wurde nun durch die Hubert Burda Media Gesellschaft ins Leben gerufen.
Hier beginnt es wirklich interessant zu werden.
Seit mehreren Jahren liegt Hunert Burda Media, zusammen mit weiteren deutschen Verlagshäusern, im Rechtsstreit mit Google, was das Leistungsschutzrecht betrifft. Die Entwicklung des Cliqz Browsers lässt sich nun als Angriff sowohl gegen Googles Suchmaschine (die ja nun eingespart wird) als auch gegen Googles Crome Browser (dem Nutzer entgehen) verstehen, doch es sei ein Schelm wer böses dabei denkt, denn “Immer zuerst an die Nutzer denken. Das unterscheidet uns von den Konzernen, die das Internet heute beherrschen. Sie gestalten das Web nach ihren Interessen und den Interessen der Werbeindustrie.
Wir haben eine ganz andere Vision vom Internet. Wir glauben an ein Internet, in dem Werte wie Transparenz, Privatsphäre, Offenheit, Sicherheit und Respekt zählen. Ein Internet, in dem persönliche Daten im Besitz der User bleiben und in dem sie auf dem kürzesten Weg zum Ziel kommen – auch wenn das weniger Werbemöglichkeiten bedeutet.
Wir glauben an ein Internet, in dem die Interessen der User wirklich an erster Stelle stehen.
[3]
Ein Konzern der mit seinen Vetragspartnern über 400 Zeitschriften herausbringt, bei einer Vielzahl Radiosender und TV-Serien beteiligt ist und Webpräsenzen wie Chip, XING und Holidaycheck hält [4], hat mit Sicherheit kein Interesse an Werbeeinnahmen und Zielgruppenanalyse.

Kritik

Einen weiteren Browser abseits der großen drei zu haben, ist sicherlich eine tolle Sache. Ebenso wie die Themen Datenschutz und Privatsphäre weiter in den Fokus zu rücken. Ebenfalls positiv zu bemerken ist der Sitz in Deutschland, das gibt einem immerhin das Gefühl von Sicherheit.
Die Darstellung des weißen Ritters in der strahlenden Rüstung der uns einzig und allein aus den Fängen überwachungswütiger Konzerne befreien kann, noch dazu vollkommen selbstlos, geht mir doch ein Stück zu weit.

  1. Ein Medienkonzern der kein Interesse an Werbung und Zielgruppenanalyse hat?
  2. Im Gegensatz zu Firefox und Chrome (zu großen Teilen), ist Cliqz nicht quelloffen, was eine Überprüfung der Datenverwendung nicht möglich macht
  3. Obwohl die Basis des Firefox Browsers genommen wurde, ist es nicht möglich, dort verwendete Plug-ins zu nutzen. Die Nutzung eines Add-Blockers, sowie weitere Plug-ins zum Schutz der Privatsphäre sind nun nicht mehr möglich
  4. Durch die geschlossene Codebasis gibt es keine Community Add-Ons um den Browser an seine eigenen Bedürfnisse anzupassen.
  5. Eine im Netz verbreitete Weisheit: “Wenn die Software kostenlos ist, wird der Nutzer zur Ware.”

Empfehlung

Die Empfehlung des Autors tendiert zur weiteren Nutzung des Firefox Browsers unter Verwendung diverser Add-ons um die Datensicherheit zu verbessern.
Folgende Plug-ins lohnen einen zweiten Blick:

  • Add Block Plus
  • Ghostery
  • self-destructing cookies

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